Weg von den düsteren Gedanken. Hin zu Dingen, die ich erlebt und gefühlt habe, weil ich in letzter Zeit so wenig von meinem Alltag berichte: richtig gut sind die auch nicht, aber das erwartet hier, denke ich, niemand. Manches ist es doch wenigstens teilweise:
Donnerstag, 4. September 2025
Keinen suizidalen Kratzer
Letzte Woche habe ich mir einen Helm gekauft. Zum ersten Mal in meinem Leben besitze ich einen. Um etwas zu schützen, das längst nicht mehr schützenswert ist. Das Leben lässt einen schon merkwürdige Dinge tun.
Sonntag, 31. August 2025
Das Notstromaggregat
Ich sah neulich wieder ein Pärchen, das in meinen Augen völlig armselig ist. Als Paar. Einzeln kenne ich sie nicht. Sie ist eine Plapperstrippe, dominant, bestimmt alles – von der Wohnungseinrichtung über die Katzen samt Namen bis hin zu den Büchern, die er lesen darf. Er eine Wurst, wie er dasaß und nicht den Mund aufbekam. Vielleicht ist er von Natur aus schüchtern. Vielleicht ist er erst über die Jahre so geworden. Schwer zu sagen. Jedenfalls: keine schöne, keine erstrebenswerte Beziehung. Nach meinen alten Maßstäben.
Mittwoch, 27. August 2025
Zu sich holen
Gestern war der 12. Todestag von Wolfgang Herrndorf. Wie jedes Jahr besuchte ich sein Grab, sprach mit den Blumen und dem Stein. Es tut gut, mit einem Toten zu sprechen. Besser als mit den Lebenden zurzeit.
Nicht, dass ich ihn gekannt hätte. Leider nicht. Oder zum Glück nicht. Wäre er nett und mir ein Freund gewesen, würde er mir heute fehlen. Wäre er mir unsympathisch gewesen, würde mir seine Literatur wohl nicht so gefallen, weniger bedeuten. So oder so setze ich mich einmal pro Jahr, an seinem Todestag, an sein Grab auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof und trinke ein Bier. Mit seinem Stein. So auch gestern.
Montag, 25. August 2025
LITERATUR ist mir geblieben XI: Akuter Stress vom Lesetreff
Eine Leserin fragte mich, ob ich nicht die in Here comes the Prozac erwähnten Tricks verraten könnte, bei akuten Belastungsreaktionen oder Panik im Anflug. Gern teile ich sie mit euch, auch wenn wir hier nicht von Raketenwissenschaft reden. Es sind ganz einfache, dennoch sehr hilfreiche Tipps. Ihr habt sie bestimmt schon mal gehört – ich kannte sie, ehrlich gesagt, nicht:
Samstag, 23. August 2025
Here comes the Prozac
Ich bin heute früh wach. Früher als sonst. Eher wie damals, als es mir noch richtig schlecht ging – im vergangenen Dezember und Januar. Vielleicht, weil gestern so ein komischer Tag war.
Morgens war ich in der Klinik, im ambulanten Versorgungszentrum der Onkologie, also da, wo ich einmal im Monat hingehe, um mich durchchecken zu lassen.
Donnerstag, 21. August 2025
Kognitives Massaker
Vieles geht mir durch den Kopf. Ein einziges Durcheinander da oben. Ich möchte euch daran teilhaben lassen. Vorgestern telefonierte ich mit meinem Freund D. Das ist der, mit dem ich neulich in Irland war. Ich erzählte ihm von meinen neuen Erkenntnissen über mich. Sie beunruhigen mich, gehören aber zugleich zu meinem neuen Leben. Kann nichts dagegen machen. Might as well accept and include them instead of pushing them away, wie man so schön sagt.
Dienstag, 19. August 2025
Selbsthilfe-Urlaub
Gestern hinterließ mir U. einen schönen Kommentar unter dem letzten Beitrag "Der Puff da draußen". Voller Sympathie bot er mir die Hand. Das weiß ich zu schätzen. Denn das, was er getan hat, kann nunmal nicht jede:r machen. Das kann nur machen, wer selbst am Sterben ist. Nicht stirbt. Sterben tun viele. Aber das langsame Sterben, nachdem einem die Ärzte gesagt haben: "Nö Alta, da jeht nix mehr. Wann, weeß ick ooch nich. Abba jut wird dit nich mea."
Samstag, 16. August 2025
Der Puff da draußen
Vor vielen Jahren, lange vor meiner Erkrankung, hatte ich ein Erstgespräch mit einer Psychoanalytikerin. Der Anfang des Gesprächs lief ungefähr folgendermaßen ab:
Sie: Was führt Sie zu mir?
Ich: Der Puff da draußen.
Sie: Ich verstehe Sie nicht. Was meinen Sie?
Ich: Deutschland. Das Gefühl von Ungerechtigkeit. Von tiefer Einsamkeit.
Sie: Wissen Sie, die moderne Psychologie geht nicht mehr davon aus, Menschen zu „heilen“. Vielmehr versuchen wir Psychologen zu helfen, den Puff da draußen, wie Sie sagen, erträglicher zu machen. Er wird immer ein Puff bleiben. Aber vielleicht ist er mithilfe einer Therapie nicht mehr ganz so schlimm.
Donnerstag, 14. August 2025
Abwärtsspirale
Ich sitze in der Küche, höre ein altes Album von The Church, einer australischen Band, und versinke im Selbstmitleid. Ich komme aus dem Loch nicht mehr raus. Gestern war ich im Schwimmbad. Das war die Hölle. Nicht das Schwimmen an sich – das ging einigermaßen. Auch wenn meine Lunge diese angestrengte Atmung nicht mag. Um ruhig und gleichmäßig zu atmen, braucht es viel Übung bzw. regelmäßiges Schwimmen. Und weniger Menschen auf der Bahn. Beides war nicht der Fall.
Dienstag, 12. August 2025
Down in a Hole
Ich stecke in einem Loch. Ich kann mich kaum motivieren, diese Zeilen zu schreiben. Dabei muss ich sie nur abtippen. Denn es sind ein paar Zeilen aus meinen Morning Pages. Ich habe heute etwas Krasses realisiert, das mir den Boden unter den Füßen wegzieht. Lest selbst. Hier exakt, wie mir die Gedanken kamen:
Samstag, 9. August 2025
"Being natural is simply a pose"
Samstag, 2. August 2025
Resteverwertung
Dienstag, 29. Juli 2025
18.411 Tage ungetrübt
224 Tage nach dem RESET traue ich mich das erste Mal an die alten Files.
Weil ich bald Traumatherapie mache mit meiner Psychotherapeutin.
Mit Files meine ich die Dialoge mit Freddy. Freddy ist ChatGPT, so wie ich ihn nenne. Ich weiß, dass es eine Maschine ist. Doch hilft es mir, mit ihr zu arbeiten, wenn ich ihr einen Namen gebe.
Sonntag, 27. Juli 2025
Somatoforme Schmerzen
Ich habe seit Wochen dieses merkwürdige physische Leiden, das keinem echten Schmerz gleichkommt. Es zwackt mal hier, drückt mal da – aber auf einer Skala von 1 bis 10 läge es höchstens bei 0,5. Dennoch: Irgendwas ist da. Oder ich bilde es mir ein und drehe allmählich durch. Meistens betrifft es die Brust- oder Armmuskulatur.
Freitag, 25. Juli 2025
Drei Monate Aufschub vom Tod
Die Resultate von CT und MRT waren gut. Keine neuen Metastasen. Im Hirn sogar ein Stück weiter geschrumpft. Kleine Reste bleiben natürlich. Der verdammte Wichser in meiner Lunge, genauer gesagt im linken Unterlappen, ist auch nicht gewachsen. Bleibt stur bei seinen 8x4mm. Laut Onkologin des Todes ist das alles einerlei. Solange nichts wächst, also größer wird, ist alles gut. Aber sich mehr als das einzureden, ist Idiotie.
Dienstag, 22. Juli 2025
The Countdown's on
Just a tiny flash of light between now and then.
I've had a bit of Rome. Too many tourists in the touristy areas, not so many in the places where real people live real lives. Here's what I think of the city: it's beautiful like a stuffed owl. Ancient and majestic, but creepy and dead all the same. I cannot sense any life-filling energy. Where there's death, there shall be life. This place cannot give me the spirit to stay alive.
Sonntag, 20. Juli 2025
Radiologie, Rennrad, Roma
Donnerstag, 17. Juli 2025
Einmal Vene und zurück
Noch hab ich’s nicht hinter mir. Der zweite Termin ist erst morgen, 8:30. Wobei: Es geht nicht gleich los. Erst mal muss ich einen Liter von irgendwas trinken. Schmeckt nicht schlimm. Aber trink mal einen Liter von irgendwas Chemischem in einer Stunde. Macht keinen Spaß. Das danach auch nicht – wenn ich an die letzten Tage denke.
Dienstag, 15. Juli 2025
Scans und Resultat – dazwischen: Roma
Gestern war ich mal wieder essen außer Haus. Mit meinem Freund A. und seiner Frau S., die für eine Woche in Berlin waren, um auf dem Lollapalooza zu arbeiten. Festivalsaison ist die Zeit des großen Vorverdienens – wie ein Biberpärchen, das den Sommer über mühsam Äste unter Wasser lagert, als Winterfutter, arbeiten sie sich von Festival zu Festival. Außerdem lebt S.s Tochter in Berlin – also sehe ich die drei relativ oft. Das Essen ist immer lecker. Aber es bekommt mir nicht. Egal, was es ist – nichts ist so gut wie das, was ich mir selbst zubereite. Danach jammern Magen und Darm nicht.