Sonntag, 27. Juli 2025

Somatoforme Schmerzen

Ein gelbes Buch mit dem Titel "BUTTER" liegt schräg auf einem gefliesten Boden am oberen Ende einer grauen Steintreppe. Im Hintergrund sind ein Holzgeländer, eine helle Wand und ein großes Fenster mit Blick ins Grüne zu sehen.


Ich habe seit Wochen dieses merkwürdige physische Leiden, das keinem echten Schmerz gleichkommt. Es zwackt mal hier, drückt mal da – aber auf einer Skala von 1 bis 10 läge es höchstens bei 0,5. Dennoch: Irgendwas ist da. Oder ich bilde es mir ein und drehe allmählich durch. Meistens betrifft es die Brust- oder Armmuskulatur.

Ich dachte erst, man könne das Phantomschmerzen nennen. Die sind aber schon gepachtet – von Amputationen. Der Schmerz „sitzt“ dort, wo physisch nichts mehr ist. Das ist neurologisch gut belegt.

Was ich meine, sind Schmerzen durch psychischen Stress, ohne organische Ursache. Man nennt sie somatoforme Schmerzen oder funktionelle Schmerzen. Sie fühlen sich echt an, sind aber nicht durch Gewebe- oder Nervenschäden erklärbar.

Wobei das in meinem Fall nicht ganz zutrifft. Entweder sind es direkte Schmerzen vom Krebs. Oder indirekte, durch den Stress, den er verursacht.

8x4mm, die mein ganzes Leben auf den Kopf stellen. Was es am Ende ist, weiß ich nicht. Meine Onkologin des Todes auch nicht. Sie kann nur mit dem arbeiten, was sie in den Bildern sieht und ich ihr beschreibe. Spielt auch keine Rolle. Ändern kann sie es nicht. Ich auch nicht. Hauptsache leben. Wie, ist egal.

Ich bin nicht gut drauf. Was sich letztens noch als gut angefühlt hat, ist längst verflogen. Ich hänge durch. Daher kommt auch seit Tagen nichts mehr mit Substanz – will sagen: die letzten Beiträge waren dünn.

Ein Grund dafür ist das Lesen. Es macht mir kaum noch Spaß, weil ich so viel Scheiße lese, die mich langweilt oder runterzieht. Heute habe ich das schlimmste Buch der letzten Monate endlich beendet. Mindestens fünf Wochen habe ich dafür gebraucht. Ich habe es auch nur fertig gelesen, weil es für den Buchclub ist. Und von einer japanischen Autorin geschrieben.

Was mich daran so aufregt? ICH. MICH. SELBST! Ich habe mir am Tag meiner Diagnose geschworen, keinen Scheiß mehr zu lesen, weil mir nur noch wenig Zeit bleibt. Und dann habe ich es dennoch gemacht. Ich bin sehr sauer auf mich – die Metastasen sprießen. Wegen eines verfickten Buchs! Meine Onkologin hat extra darauf verwiesen, Stress zu vermeiden. Und was mache ich? Ein scheiß Buch zu Ende lesen, obwohl es mir nicht gefällt.

Warum quäle ich mich? Ich schwöre bei der vermaledeiten Margaret Thatcher – möge sie mit Stalin und Konsorten in der Hölle schmoren! – dass ich keine masochistischen Tendenzen habe und nie hatte. Warum also tue ich mir das an? Falls ich jemals wieder ein kack Buch über Seite 50 hinaus lesen sollte, bitte ich euch flehentlich darum, mich zu rügen und mich an mein mir selbst auferlegtes Gebot zu erinnern.

Genug geflucht und abgekotzt für heute. Aaah, jetzt geht es mir schon besser.

Das Buch, welches ich so schlimm fand, wollt ihr wahrscheinlich auch noch wissen? Na gut, weil ihr's seid: BUTTER von Asako Yuzuki. Warum ich es scheiße finde? Darf ich nicht schreiben, falls jemand aus dem Club den Blog liest. Von wegen Ehrencodex und so.

Euer Wannabe-Hypochonder

V. M. Sachs

Keine Kommentare

Kommentar veröffentlichen

© Vic Mancini on Death Row
Maira Gall