Ich erhielt gestern folgenden Kommentar unter dem Beitrag "Nackt auf Papier", auf den ich eingehen möchte. Gerade weil ich weder Geschlecht noch Alter kenne, passt die Frage so gut. Aber zuerst ihre Frage:
"Mir fehlte, ehrlich gesagt, deine Begründung. Warum findest du diese
Passagen gut. Aber vielleicht sprengt das hier den Rahmen...
Die
Liste deiner geschätzten Schriftstellerinnen würde mich aber
interessieren. Habe neulich meine erste Han-Kang-Erfahrung gemacht.
Aufregend."
Ich nehme an, du meinst "DIE WAND", auch wenn der Kommentar unter „Nackt auf Papier“ stand. Falls du dich doch auf meine Morning Pages beziehst: Die finde ich nicht gut – sie sind einfach nur. Wie das Wetter oder der Kosmos. Ich schreibe lediglich auf, was mein Hirn in dem Moment denkt, ohne die Gedanken zu lenken. Wenn ich bewusst denke, sind es keine Morning Pages mehr.
Ich mochte sie besonders, weil sie das klischeehafte Bild der Frau besser dekonstruieren als jedes feministische Buch, das ich bisher gelesen habe. Marlen Haushofer tut das über Fiktion. Sie erfindet eine Geschichte, in der die Protagonistin ohne menschliche Hilfe überleben muss – und es kann. Womöglich besser als die meisten Männer, die auch nur aus Konstrukten bestehen.
Was ist schon ein Mann? Genauso viel oder wenig wie eine Frau. Es gibt die Biologie. Und es gibt das Gewand, das man uns überstülpt.
Haushofer erklärt das nicht in einem TED Talk. Auch nicht in einem Pamphlet. Sie erzählt einfach eine Geschichte. Genau das hat mich gepackt. Und zutiefst beeindruckt.
Viele, die mich besser kennen, wissen, dass ich kein Fan von Sachliteratur bin. Vor allem heutzutage ist sie sehr en vogue – so scheint es mir zumindest. Vielleicht irre ich mich auch. Non-Fiction zu lesen gilt irgendwie als erwachsener. Als würde man sich den Problemen der Welt weniger verschließen, wenn man Texte liest, die einem die Missstände erklären.
Aber der ganze Betrieb ist durchtränkt von Mansplainern und Womansplainern. Das Erste, was ich in einem mittelmäßigen VHS-Schreibkurs vor fünfzehn Jahren gelernt habe, war: Show, don’t tell! Also schreib nicht: Sie ist traurig, sondern: Ihre Mundwinkel sinken, eine Träne läuft ihr über die Wange. Das eine ist Behauptung – wie in der SachliteraturDas erste ist deskriptiv, ähnlich dem, was in Sachliteratur passiert, das zweite ist ein Werkzeug von Fiktion. Die Leserschaft kann sich ein eigenes Bild davon machen, wie traurig die Person ist. Gleichzeitig fängt das Hirn an zu rattern und viele andere Bilder, Erinnerungen und Gedanken werden evoziiert.
Das mag ich. Ich habe es nie gemocht, wenn mir einer sagt, warum wir alle so scheiße sind oder warum wir weniger fliegen sollten. Das weiß ich selber. Das muss ich nicht lesen. I need poetry, not any more facts.
Und was die Zeilen dieser Autorin anbelangt, so kann ich erneut nur den Hut ziehen. Wie schön ist das ausgedrückt:
"Mein Körper, gescheiter als ich, hatte sich angepasst und die Beschwerden meiner Weiblichkeit auf ein Mindestmaß eingeschränkt."
"Ich bin nicht häßlich, aber auch nicht reizvoll, einem Baum ähnlicher als einem Menschen, einem zähen braunen Stämmchen, das seine ganze Kraft braucht, um zu überleben."
Ich hoffe, jetzt ist deutlicher geworden, was ich meinte.
Was Han Kang angeht, so bin ich ein wenig zwiegespalten. Ich verstehe, dass ihre Literatur einen Nerv trifft und wirklich besonders und eigen ist. Aber es bedrückt mich so dermaßen, ihre Bücher zu lesen, dass ich persönlich es nicht empfehlen kann. Ich habe nur Die Vegetarierin gelesen und das fand ich schon sehr verstörend. Aber im Vergleich zu allen anderen, die ich angefangen hatte und nach 25 Seiten (Human Acts) und 45 Seiten (Deine kalten Hände) abbrechen musste, ist es noch das zugänglichste. Nein, ich konnte nicht weiterlesen, ohne Gefahr zu laufen, aus dem Fenster zu springen. Die Vegetarierin kann man noch lesen. Die beiden anderen eher nicht.
Karen Köhler (alles perfekt)
Judith Hermann (perfekte Prosa, meist deprimierender Inhalt)
Fatma Aydemir (alles perfekt)
Shida Bazyar (Nachts ist es leise in Teheran – sehr gut)
Nava Ebrahimi (Sechzehn Wörter, Das matte Gefühl der Welt – genial, das zweite auch sehr gut)
Karen Duve (Dies ist kein Liebeslied – sehr gut)
Olga Tokarczuk (Drive Your Plow Over the Bones of the Dead – großartig)
Chimamanda Ngozi Adichie (großes Tennis!)
Alice Munro (kosmische Kurzgeschichten – jede einzelne hat mir gefallen)
Virginie Despentes (Das Leben des Vernon Subutex – geniale Serie, französische Aussprache vorstellbar)
Mieko Kawakami (umwerfend)
Sayaka Murata (Die Ladenhüterin und Seidenraupenzimmer – verstörend, aber hervorragend)
Emi Yagi (Diary of a Void – schräg)
Yoko Ogawa (Memory Police – toll!)
Amy Tan (The Hundred Secret Senses – gute Erzählerin, aber zu amerikanisch statt chinesisch)
Madeline Miller (Circe, The Song of Achilles – beide gut, ersteres deutlich besser)
Mariana Enriquez (Things We Lost in the Fire – Wow!)
Naomi Alderman (The Power – lustige und spannend erzählte Idee einer Utopie, nicht Dystopie)
Kamila Shamsie (Home Fire – sehr gut)
Nino Haratischwili (Das achte Leben (Für Brilka) - Was für eine Familiensaga!)
Ursula Scavenius (The Dolls)
Kjersti A. Skomsvold (Je schneller ich gehe, desto kleiner bin ich)
Und hier die, die ich nicht mag:
Mithu Sanyal (Identitti – so nervig geschrieben, es war eine Qual!)
Hanya Yanagihara (A Little Life – prätentiöser Kack, unerträglich, bäh!)
Karen Brixen (kolonialer Scheiß)
Antje Rávik Strubel (Blaue Frau – sperrig, kühl und unangenehm)
Enjoy reading while I'm dead
Zombie Mancini
Danke ;-)
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