Letztens mit B. getroffen. Eigentlich D. Das mit dem Anfangsbuchstaben funktioniert irgendwie nicht mit Spitznamen, fällt mir gerade auf. Egal! Jedenfalls war's ein schönes Gespräch. Hat erst letzte Woche zufällig mitbekommen, was mit mir los ist. Rief mich sofort an, wollte mich sehen.
Beim Bier im Park sprachen wir über die gemeinsame Vergangenheit, meine perverse Gegenwart und die limitierte Zukunft. Bei der Vergangenheit wurde es wie immer nostalgisch, dominiert von schönen Anekdoten: im Proberaum und auf der Bühne, im Auto unterwegs auf Tour, ungemütliche Übernachtungen.
Ein Highlight war das Konzert in Stralsund. Nicht der Gig an sich – in der Studentenkneipe 8cht Vorne – sondern die Übernachtung in der Jugendherberge vor Ort. Wir schliefen nur wenige Stunden, waren brutal verkatert, als es unablässig an der Tür klopfte. Da sonst keiner aufstand, ging ich zur Tür, fragte den Herbergsfuzzi, der vor mir stand, genervt, was er wolle.
Er: Es gibt Frühstück, ist inklusive.
Ich: Ja, danke. Aber wir wollen lieber pennen.
Tür zu. Kaum lag ich wieder im Bett, klopfte er wieder.
Ich: Was is’ denn? Wir sind echt müde.
Er: Aber es ist doch schade um das gute Essen. Habt ihr doch bezahlt. Könnt ihr auch essen.
Das Lustige an der Geschichte ist, dass wir tatsächlich aufstanden, weil wir sowieso von dem Terror wach waren. Wir quälten uns mit dicken Schädeln zum Frühstücksraum, um tagealte Schrippen, Scheiben Bierwurst und ranzigen Butterkäse vorzufinden. Und dafür hat er uns gequält. Der Arsch! Das sind die Geschichten, die nur witzig sind für die, die sie erleben, egal wie gut man sie erzählt.
Ich muss sowieso eher weinen, heute, wenn ich an alte Tage denke. Weil sie mir bewusst machen, dass meine neuen gezählt sind.
B. kann nicht begreifen, was mit mir geschieht. Ich auch nicht, selbst nach 183 Tagen nicht. So lange ist es nun her, dass man mir sagte, ich hätte einen mandelgroßen Tumor im Kopf. Vor 182 Tagen kamen der Ursprungsherd im linken Lungenflügel und die Metastasen in den Lymphknoten hinzu.
Aber mir geht es recht gut. Ich schreibe und schreibe, lösche, schreibe um, konzipiere neu, werde immer präziser im Orten meiner literarischen Stimme.
So viel für heute aus der literarischen Zentrale Friedrichshain. Gestern war Rekordtag: 894 Leute tummelten sich an einem Tag auf dem Blog. Insgesamt waren es seit Beginn der Berichterstattung 41.492. Nach den Leser:innen in Deutschland interessieren sich die USA, der Iran, Frankreich, die Niederlande, Österreich, Belgien, China, Singapur, Italien und mehr für mich und meinen Lungenkrebs. Wieso? Keine Ahnung.
Aus dem Tal des Ahnungslosen
Euer Statistikmeister und Ex-Herbergskommunikator
Victor Mancini
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