Freitag, 30. Mai 2025

Sieben Bier macht eine Mahlzeit

Papier-Unterlage in der Pizzeria der Menabrea Brauerei, mit illustrativem Bierbrauprozess und drei Biersorten in Gläsern

Meine Freundin Y. wohnt bekanntlich in Norditalien, wo ich sie zuletzt besuchte. Auf den Tag vor einem Monat, um genau zu sein. Mittlerweile bin ich wieder in Berlin, während sie mit dem Campervan durch Schottland reist und die Munros besteigt. Das sind die 282 Berge über 3.000 Fuß, benannt nach einem adligen Horst namens Sir Hugh Munro. Nicht wichtig. Wichtig ist, für mich zumindest, dass sie mir fehlt. Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, hatten wir sechs Jahre keinen Kontakt. Ging von mir aus. Warum, spielt keine Rolle. But boy, can I hold a grudge! Und ich dachte immer, ich sei nicht nachtragend. Aber wie ich nunmal am eigenen Leib feststellen muss: eine unheilbare Krankheit schafft neue Realitäten. Der verfickte Krebs hat aber auch heilende Kräfte - er lässt einen über seinen Schatten springen und kittet alte, fundamentale Freundschaften.

Y. spricht natürlich Italienisch. Immerhin lebt sie seit mehr als nem halben Jahrzehnt dort. Sie erzählte mir, dass sie sich trotzdem nicht so an die Kultur gewöhnen kann. Kenn ich, geht mir genauso. Und dabei bin ich Italiener. Aber eben ein in Deutschland aufgewachsener. Großer Unterschied. Das, was ich jetzt sage, geht nicht nur mir so, sondern allen Kanaken, deren Eltern irgendwann mal beschlossen, ihre Heimat zu verlassen. Aus welchem Grund auch immer. Man ist nirgendwo zuhause. Ich mag Deutschland nicht. Aber ich mag Italien genauso wenig. Am meisten nerven mich die Leute mit ihrem Bella Italia-Gelaber. Geht halt hin, genießt die Sonne und das Meer, fresst Pizza und Pasta bis zum Kotzen. Aber von der italienischen Kultur versteht ihr deswegen keinen Deut mehr. Wollt ihr gar nicht. Müsst ihr ja auch nicht.

Aber Y. muss, damit sie dort überlebt. Und ich muss, damit ich meine Eltern nicht jeden Tag umbringen will. Oder die Italiener, die G. Meloni wählen und nicht mal verstehen, was sie damit tun. Vielleicht kennt ihr das, wenn in eurer Familie oder im alten Freundeskreis welche dabei sind, die die "nationalen Jammerlappen" von der AfD wählen  – coole Bezeichnung übrigens, aus dem Spiegel heute.

Eine Sache, mit der Y. genauso zu kämpfen hat wie ich, ist diese ständige Fresserei. Dass in Italien alles auf Essen ausgelegt ist. Als ob es nichts anderes gäbe, um sich zu treffen, zu unterhalten oder zu feiern. Sich einfach mal in der Kneipe auf ein Bier treffen, existiert in Italien leider nicht. Wenn du jemanden sehen willst, für ne Stunde, um dich über deinen Tag im Büro, deinen Termin bei der Psychotherapeutin oder über die letzten Spieltag der Premier League zu unterhalten, musst du gleich ein Drei-Gänge-Menü zaubern. Immer dieses scheiß Essen, als wär’s ne Religion.

In Schottland wird dagegen gern getrunken. Wie in Deutschland auch. 

Ich will an dieser Stelle den Alkohol verherrlichen – nicht den Alkoholismus. Den gelegentlichen Konsum, but over the top, wenn du die Kontrolle über dein verklemmtes Wesen verlierst und dich gehen lässt, egal wie peinlich es wird.

Schon als Jugendlicher habe ich die arrogante Frage gehasst: "Kannst du keinen Spaß haben ohne Alkohol?" - "Nein, kann ich nicht. Ich finde es geil zu trinken."

Ich habe nie viel getrunken. Nach drei Bier bin ich besoffen. Aber wenn die üblichen Beklemmungen von mir abfallen und ich einfach mal dummes Zeug reden kann, kichern kann und mich über die unlustigsten Sachen totlachen kann, ist das echt ein verdammt befreiendes Gefühl von Glück.

All das muss ich ausführen und erklären. Y. sagt's mit einem genialen Satz:

"Ich fühle mich eindeutig wohler unter Menschen, die trinken, als unter Menschen, die essen."


In diesem Sinne: Befreiende Grüße
– PROST! 

Euer
Raj Mancini

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