Samstag, 13. September 2025

Des Teufels Anwalt

Ein Waldweg im Thüringer Wald bei Manebach, umgeben von hohen Nadelbäumen.

Wieder zurück aus dem Thüringer Wald – schön, wie deutsche Wälder nun mal sind: hauptsächlich Monokultur, zwischendurch ein paar gemischte Laub- und Nadelbäume, ein Eichelhäher als Wachposten, ein Specht, wenn man auf leisen Sohlen unterwegs ist. Die Wanderwege sind für’n Arsch, die Aussicht hielt sich in Grenzen – vielleicht hatten wir auch einfach die falschen Touren erwischt. An beiden Tagen: je halb Sonne, halb Regen, der immer stärker wurde.

Nichts Spannendes also. Mir ging’s sowieso nur um Bewegung, und die gab’s reichlich. Im Haus gab’s zudem ’ne Sauna – die Aufgüsse zogen wie Napalm durch die Lunge. Ich hatte immerhin das Gefühl, dass sie mir gut taten. Bei jedem tiefen Atemzug verzog sich der Krebs in die hinterste Ecke.

Mit meinem Kumpel C. war es größtenteils gut. Interessante Gespräche, jahrzehntelange Freundschaft, herzliche Zuneigung. Aber auch unterschiedliche Ansichten, die immer bleiben werden.

Beispiel: Schon früher hat er gern die Sichtweise und Handlungen anderer verteidigt. Das stört mich. Immer schön des Teufels Anwalt. Das machen übrigens viele!

Meine Therapeutin sagt gern, man soll Verständnis zeigen, weil die armen Freunde und Familienangehörigen nicht wissen, wie sie mit mir umgehen sollen. Deswegen dürfen sie alles sagen und tun - und ich bin der Gefickte. Denn ich hab den unheilbaren Krebs. Und muss noch Verständnis aufbringen.

Stellt euch das so vor: Da wird eine Frau vergewaltigt. Und der Rest der Welt sagt: „Ach komm, du musst das auch verstehen – der Arme weiß halt nicht, wie er seinen Schwanz unter Kontrolle halten soll. Der lernt das noch mit der Zeit. Das sind nur Übersprungshandlungen. Sei ein bisschen geduldig mit ihm! Und wenn du nach 30 Vergewaltigungen die Schnauze voll hast, dann zieh dich ein wenig zurück. Und leck deine Wunden allein – die anderen haben gerade Wichtigeres zu tun."

Leute haben mich gefragt, wie's mir geht. Hier ist die Antwort: ich bin noch am Leben. Noch.

V. M.

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© Vic Mancini on Death Row
Maira Gall