Sonntag, 23. November 2025

Tropendiät

Blick auf einen menschenleeren weißen Sandstrand auf Siargao. Das helle Wasser im Vordergrund wird durch ein fernes Riff mit weißer Brandung vom tiefblauen Ozean getrennt. Ein Stück Holz und leichte Palmenschatten sind im Vordergrund sichtbar.

Pilipinas – Philippinen auf Tagalog. Alle sprechen sehr gut Englisch, einige sogar Spanisch. Das sind die "Vorteile", wenn man Kolonialwichser im Land hatte.

Hier ein kurzer Abriss, wie lange sie kolonialisiert wurden. Mir ist das wichtig, um zu verstehen, wer hier was zerstört, verändert, aber auch aufgebaut hat.

Dauer der Kolonialherrschaft: 1565 bis 1946 (ca. 381 Jahre).
Kolonialmächte: Spanien (1565–1898), USA (1898–1946), kurzzeitig Großbritannien (18. Jh.) und Japan (WWII).

Die drei Hauptinselgruppen der Philippinen:
Luzon (Norden), Visayas (Mitte), Mindanao (Süden).

Ich war zwei Tage in Manila, einer riesigen Stadt, über die ich mir kein Urteil erlaube. Nach zwei Tagen steht mir das nicht zu. Ich kann nur sagen: für mich ist sie zu laut und die Luft so schlecht, dass ich dauernd mit Mundschutz rumlaufen musste, um nicht vorzeitig vom Smog dahingerafft zu werden. Die Straßen sind schmutzig, und die Fahrer der Traysikels, wie die Dreiräder hier heißen, wollen einen ständig irgendwohin kutschieren. Genauso wie die Besitzer von Ständen einen zum Kauf frittierter Bananen überreden wollen. But there's only that much sugar-coated banana you can eat before dying of high colesterol, right?

Und dann die bettelnden Kinder. Es war mir schon immer ein Graus, von armen Menschen um Almosen gebeten zu werden. Wie soll ich ihnen erklären, dass ich nach unseren Maßstäben selbst als arm gelte. Aber wer diskutiert mit einem Kind, das unter Regenschirmen auf dem Gehweg übernachten muss, über relative Armut.

Deswegen fahre ich nicht gern in arme Länder. Dies war ein Fehler. Aber ich war nunmal schon da, also schaute ich mir das Elend auch an.

Im Rizal Park steht zwischen japanischen und chinesischen Gärten steht das Denkmal für den Arzt, Schriftsteller und Universalgelehrten José Rizal, der im 19. Jahrhundert lebte und in Heidelberg Medizin studierte. In Noli Me Tángere kritisierte er die Missstände der spanischen Kolonialherrschaft, wollte Reformen statt Revolution. Trotzdem wurde er hingerichtet. Heute gilt er als Nationalheld. Im Park ist seine Erschießung skulptural dargestellt.

Neben dem Park liegen drei Museen – Naturkunde, Anthropologie und Kunst –, alle kostenlos. Ich sah mir alles halb interessiert, halb gequält an, weil ich in jedem dieser ultraklimatisierten Räume Angst vor der Luft hatte. Klar, sie müssen 24/7 durchlaufen, sonst zerlegt die Feuchtigkeit die Exponate. Für mich war’s Horror. Spannend waren die Horden an Schulkindern, die mich ansahen, als sei ich ein Außerirdischer. Und das, obwohl sie ständig unzähligen Touristen begegnen.

Am Abend wollte ich ein Bier. Die nächste Bar vom Hotel aus war eine Bikinibar namens Dusk Till Dawn. Gefiel mir nicht. Schäbig eingerichtet, muffiger Schimmelgeruch aus den Luftentfeuchtern. Die Coverband spielte „Smooth Operator“, der englische Besitzer war groß, grauhaarig und unsympathisch.

Die Frauen liefen in weißen engen Shorts herum, aus denen die Schenkel hervorquollen. Sie mussten die ganze Zeit gut drauf sein, lachen, Sprüche klopfen und saufen. An jedem Drink, den sie soffen, verdiente der Brite. Wie viel er an der Prostitution im Hintergrund verdiente, keine Ahnung. Manila ist wie Bangkok voll von schmierigen alten weißen Männern. Als ich da saß und ihnen bei ihrer Arbeit zusah, wurde mir plötzlich klar, dass ich selbst nichts anderes war: ein alter weißer Mann. Vielleicht nicht ganz so schmierig, aber auch nicht so spendabel wie die Fettsäcke.

Ich trank mein Bier, inhalierte den Schimmel und unterhielt mich mit Kurtney, der Bar-Transe. Sie war sympathisch, hatte für kurze Zeit in Hamburg gelebt. Das deutsche Essen fand sie furchtbar. Was genau, sagte sie nicht, sie lachte lieber. Nur, dass es nicht der Grund gewesen sei, weshalb sie Deutschland nach nur wenigen Monaten den Rücken wieder kehrte. Nach einer Stunde spendierte ich ihr und der Chefin einen Tequila, damit sie keinen Ärger bekam, so lange mit einem unlukrativen Gast verplempert zu haben. Dann ging ich.

Seit gestern bin ich auf der südöstlichsten Insel Siargao von Mindanao. Klein, schön – im tropischen Sinn. Wäre da nicht die Regenzeit, die ich nicht bedacht habe. Über 80 Prozent Luftfeuchtigkeit heißt schwitzen rund um die Uhr. Wenn man kein Problem damit hat, ist es das Paradies. Überall Kokospalmen, Mangobäume, Bananenstauden. Auf den Straßen Frauen, Männer und Kinder in einfacher Kleidung, in noch einfacheren Behausungen. Seit Kambodscha habe ich nicht mehr so zusammengeschusterte Häuser aus Karton und Brettern gesehen, ohne Glas, ohne Beton. Dazwischen freilaufende Hunde und Katzen, Traycikels, Mopeds. Über allem ein permanentes Meeresrauschen.

Wie auf dem Foto zu sehen: Der Pazifik liegt direkt vor meiner Hütte. Zehn Meter zum Strand. Keine Gäste außer einem Dauergast aus Florida namens Jason. Heute Morgen war ich trotz Wolken im Wasser. Herrliche 23 Grad. Später schrieb ich diese Zeilen im Schatten auf meiner Veranda, nachdem ich Kinilaw gegessen hatte – die philippinische Version von Ceviche, rohem Mahi Mahi (Goldmakrele) mit Essig, Ingwer, Zwiebeln, Chili und oft Kokosmilch mariniert. LECKER.

Jetzt hüpfe ich nochmal ins Wasser. Danach esse ich wieder im Restaurant. So sieht wahrscheinlich die ganze Woche aus. Ach Quatsch, morgen geht's mit dem Moped um die Insel – wenn es nicht aus Eimern regnet.

Ciao for now.

Hanggang sa muli!

Victor Mancini

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© Vic Mancini on Death Row
Maira Gall