Dienstag, 8. Juli 2025

LITERATUR ist mir geblieben X: Habits My Ass!

Bode-Museum: Leere Tische im Café nach dem Lese-Meetup
 

Am Sonntagvormittag war ich wieder bei den Leise-Lesenden im Bode-Museum. Das Lesen hat gutgetan. Tu davon so wenig im Moment. Liegt am Schreiben, aber auch daran, dass die Bücher, die ich parallel lese, nicht besonders gut sind.

Das erste – Butter von Asako Yuzuki – lese ich seit fünf Wochen. Oder so. Meines Erachtens so schlecht geschrieben, dass ich literally nach fünf Seiten einschlafe. Die Geschichte interessiert mich. Die komplizierte Prosa weniger.

Das zweite – Mama’s Boy, Vol. 1 von David Goudreault – schleppe ich auch schon seit zwei Wochen mit mir rum. Ich lese immer nur ein paar Seiten, ehe ich was anderes vorhabe. Sehr gut geschrieben, aber inhaltlich so bedrückend, dass mir nach einer Stunde die Kraft fehlt.

Das dritte geht eigentlich runter wie Öl: Tschick von Wolfgang Herrndorf. Aber ich höre die Audioversion – und die ist so nervig gelesen, dass sich Wolfgang im Grab umdrehen würde. Der Sprecher, Marius Clarén, gibt den Jungs diese typische pseudo-coole Vorabendserien-Stimme. Als wären sie bescheuert, nur weil sie Jugendliche sind. Übertrieben theatralisch. Das stört enorm. Wenn ich die Zeilen selbst lese, höre ich ganz andere Stimmen. Lakonisch. Phlegmatisch. Semi-erwachsen. Viel cooler. Viel angenehmer. Viel realer.

Zurück zum Sonntag. Nach der Lektüre unterhielt ich mich mit den drei Leuten am Tisch. Einer war der Organisator des Events. Er las The Tennis Partner von Abraham Verghese – ein Buch über einen Arzt, der sich wie viele Mediziner selbst mit Drogen versorgt, nachdem er abhängig geworden ist. Und spricht damit wohl ein typisches Phänomen unter Mediziner:innen an. Beim Stichwort Tennis horchte ich kurz auf – ich mag Tennis. Aber seine Art zu erzählen hat mich eher vom Buch entfernt.

Die Zweite hatte Südstern von Tim Staffel dabei. Sagt mir nix, aber der Verlag war interessant: KANON – die mit dem Affen. Berliner Verlag. Abgespeichert für die Verlagssuche, die bald losgeht.

Auf die dritte Person am Tisch möchte ich etwas näher eingehen. C. kommt aus Rumänien. Sympathisch, aber vom Leben überfordert. Sie liest ein Buch namens Atomic Habits. Sachbuch. Schon der Beititel gibt mir den Rest: 

Atomic Habits: Tiny Changes, Remarkable Results. An Easy & Proven Way to Build Good Habits & Break Bad Ones – The life-changing million copy bestseller.

Lest und entscheidet selbst, ob ihr synchron kotzen wollt:

"People think that when you want to change your life, you need to think big. But world-renowned habits expert James Clear has discovered another way. He knows that real change comes from the compound effect of hundreds of small decisions: doing two push-ups a day, waking up five minutes early, or holding a single short phone call."

Ich verstehe, dass Menschen sich verändern wollen. I'm all for it. Ich bin auch dafür, dass man sich Hilfe holt, wenn nötig. Dafür ist sie ja da. Aber wenn die amerikanische Gesellschaft ihre Bevölkerung erst zu psychischen Wracks macht, indem sie Kinder durchs College-System drillt, dann mit Medikamenten ruhigstellt (und daran verdient!), um sie anschließend auf die Self-Improvement-Reise zu schicken – das ist traurig genug.

Aber wenn die Europäer anfangen darauf abzufahren, bekomme ich es mit der Angst zu tun. Wieso? Weil es sich anfühlt, als wäre die Schweinepest zum ersten Mal in meinen nicht vorhandenen Garten eingezogen.

In Russland ist es wohl genauso. Abgesehen von der aktuellen Putin-Groteske ist Russland für mich ein wunderschönes und superspannendes Land. Leider werde ich vor Putin sterben und es nie wiedersehen. Die russische Gesellschaft ist, so wie meine russischen Freunde sie beschreiben, durch und durch kapitalistisch. Das hat mich echt schockiert. Ich dachte immer, es gäbe noch Relikte aus der kommunistischen Zeit – so wie die DDR im Osten noch in den Köpfen weiterlebt. Aber Pustekuchen. Was geblieben ist, sind Korruption und die Gewalt des FSB. Aber der Rest? Alles ist auf Profitmaximierung ausgelegt. Kultur dient einzig dazu, Geld zu machen.

Meine russische Freundin D. schreibt auch — und sie schreibt echt gut. Mit ihrer Kurzgeschichte hat sie es in den Rowohlt-Band Nein! [Njet]. Stimmen aus Russland gegen den Krieg geschafft.

Am Sonntag hatte sie eine Veranstaltung, bei der auch Verleger für russischsprachige Literatur waren. Die Arme musste danach an einem Pitch teilnehmen — ihr Buch so gut wie möglich verkaufen. Am Ende kam sie enttäuscht nach Hause. Weil sie nervös war. Oder weil die Person vor ihr ein Problem hatte. Oder aus einer Million anderer Gründe. Das ekelt mich an. Was hat das mit Literatur zu tun? Wieso können Worte nicht einfach für sich sprechen?

Aus dem Scheiß bin ich raus. Zum Glück gibt’s in solchen Momenten noch alte Songs, die mir bleiben. In diesem Sinne:

"I can't stand it, I know you planned it
I'm gonna set it straight, this Watergate
I can't stand rocking when I'm in here
'Cause your crystal ball ain't so crystal clear
So while you sit back and wonder why
I got this fucking thorn in my side
Oh my God, it's a mirage
I'm tellin' y'all, it's a sabotage"

LEST KEINE BÜCHER, DIE EUCH SAGEN, WIE IHR BESSER SEIN SOLLTET: I LOVE YOU AS YOU ARE!

Euer
Beastie Mancini

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Maira Gall